sense and sensibility
Magma#3
24.4 - 12.6.2021
Link zur Webseite: https://www.magma-triennale.com/info
Der Boom der sozialen Medien wurde von einem seltsamen Phänomen begleitet: dem Aufstieg des Hundes. Plötzlich verfügen die getreuen Vierbeiner über ein eigenes Profil und kommunizieren über Social - Media - Kanäle mit dem Rest der Welt. Rahel Scheurer verfolgt diesen Trend kritisch, amüsiert und fasziniert. Mit ihrem Umfeld tauscht sie Hundebilder aus, die sie im Internet gefunden oder mit der eigenen Handykamera geschossen hat. Das gesammelte Bildmaterial fliesst in ihre Arbeit ein, in der sie dem Verhältnis zwischen Mensch und Hund nachspürt. Entstanden ist ein Panorama aus kaleidoskopischen Versatzstücken, eine vielschichtige Collage, die mit unterschiedlichen Rahmungen, Perspektiven und Standorten spielt. Überall begegnen einem Hunde und ihre Besitzer*innen, mal fidel und treuherzig, mal aggressiv und kläffend. Rahel Scheurer ist es wichtig, individuelle Charakterzüge einzufangen. Dass die Hunde - gerade jene mit eigenem Social - Media - Kanal oftmals vermenschlicht und von ihren Besitzer*innen als Accessoires oder Projektionsflächen der eigenen Persönlichkeit genutzt werden, ist Teil der Auseinandersetzung. Gleichzeitig verweist die Arbeit auf die lange Tradition des Hundes in der Kunst. Das älteste Haustier des Menschen ist spätestens seit dem 18. Jahrhundert ein beliebtes Motiv. Einige Künstler*innen spezialisierten sich gar auf «Hundemalerei». Rahel Scheurer spinnt diese Geschichte humorvoll weiter und fügt ihr ein neues, erzählerisch dichtes Kapitel hinzu. (Text von Jana Bruggmann)
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SENSE AND SENSIBILITY
Die Sprache kann die Malerei beschreibend umkreisen und verorten, doch die Magie der Malerei ist nicht in Sprache zu fassen, sozusagen unaussprechbar. Je nach soziokultureller Prägung, unterschiedlicher Referenz und der daraus resultierenden Haltung unterscheiden sich die Werke und die malerischen Interventionen der Künstler*innen erheblich. Was allen malerischen Prozessen wohl gemeinsam scheint, ist die Dualität zwischen Verstand und Gefühl, von Konzept und innerem Impuls. Das Erstellen einer Malerei ist ein sinnlich-körperlicher Akt; die Künstler*innen haben unterschiedliche Strategien vor, im Akt an sich und nach dem Prozess der Ausführung.
Wir stellen die unterschiedlichen Vorgehensweisen, von konzeptueller bis zur prozessorientierten Malerei, einander
gegenüber und setzen die Betrachter*innen dem Spannungsfeld von «SENSE AND SENSIBILITY» aus, in der Hoffnung, Präferenzen auszuloten und neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Wie bereits Jane Austen im gleichnamigen Roman aus dem Jahr 1811 befasst sich die Ausstellung damit, die emotionale
und sentimentale Natur der Menschen zu betonen, anstatt, wie gängig, ihre rationalen Begabungen, und vermag dadurch die beiden Pole einander gegenüberzustellen. Die eigenen Emotionen zulassen zu
können, ist also erstrebenswert, und Zurückhaltung, eigentlich alles, was mit rationaler Kontrolle zu tun hat, ist genauso Teil des Malprozesses, und dieses Spannungsfeld findet in den
ausgewählten Werken Ausdruck.
MAGMA#3 zeigt somit eine Grundspannung unserer Zeit auf. Die Vernunft und die damit einhergehende moralische
Ordnung der Zeit, die sich in den Massstäben der Gesellschaft zeigt, werden seit den romantischen Strömungen des 19. Jahrhunderts herausgefordert, und dies manifestiert sich in der Ausstellung
deutlich.
Die Betrachter*innen treffen auf eine Auswahl von unterschiedlichen Positionen, die schon lange erprobt oder noch
relativ jung sind. Die Gemeinsamkeit liegt in der existenziellen Ernsthaftigkeit und dem künstlerischen Antrieb, immer weiter und weiter neue Werke hervorzubringen.
Neun Künstler*innen zeigen auf drei Etagen im historischen Gebäude der SUST in Stansstad ihre Werke, die sich den
Betrachtenden oft auf geheimnisvolle Weise, direkt oder auf Umwegen, erschliessen. Die präzisen Texte von Jana Bruggmann zu den einzelnen Positionen oder die proaktive Ausstellungsbetreuung ASK
ME der HSLU - Studierenden werden dabei eine Hilfe sein.
Lassen Sie sich in erster Linie von der Magie der Malerei, im Zusammenspiel zwischen Verstand und Sinnlichkeit, verzaubern!
Patrick Bussmann und Romuald Etter, Co - Kuratoren
Parcours par Coeur
Zu den Aussenpositionen anlässlich von MAGMA#3 im Umkreis der SUST, Stansstad Mit Blick auf das bevorstehende Ausstellungsprojekt Parcours, rund um die SUST, schärft sich die Sicht auf den öffentlichen Raum. Der biedere Charme zwischen einer umfunktionierten Telefonkabine, Pflanzentöpfen aus Waschbeton und einer abgestellten Steinskulptur ist unübersehbar. Die kniende Frauenskulptur von Ernst von Wyl vermittelt poetische und bildhauerische Qualitäten. Lieblos ist sie auf einem Schachtdeckel platziert. Dazu gesellt sich ein nostalgischer Hydrant und am Seeufer liegt auf einem grossen, flachen Stein ein Anker. Gondelkabinen stehen bei der Schifflände neben einem alten Wagon der Engelbergbahn und das vermeintlich frohe Jubiläumsbild stellt sich aufdringlich den Besucher*innen vor Ort in den Weg. Verbrauchsware. Muss, soll, darf das alles übersehen werden? Ja und nein: Ist doch der öffentliche Raum rund um die SUST ein Spiegel der Gemeinde Stansstad.
Der Handlungsraum für die ausgesuchten künstlerischen Positionen ist bescheiden. Gegenwärtig befinden sich noch
alle Arbeiten in der Entstehungsphase. Dennoch: Unter dem spezifischen Aspekt von Sinn und Sinnlichkeit der Hauptausstellung verlängert der Parcours konzeptuell und intuitiv die
handlungsgetriebenen Momente aus dem Medium der Malerei in die Performance, Fotographie, Skulptur und Audio. Mit einem Augenzwinkern begegnet uns die doppelt gesicherte Seilmalerei von ALMA
entlang der Hauptfassade der SUST. Auf der Rückseite des Hauses kommunizieren die Fotoplakate von Maura Wittmer mit der sinnlichen Frauenskulptur. Körper und Textfragmente überlagern sich und
schaffen nuancierte Kontexte. Roger Holligers skulpturale Materialexperimente werden zu vergänglichen Malmomenten und die Audioarbeit von Timo Ullmann und Marco Baltisberger bleibt gänzlich
unsichtbar und ist nur über ein spezifisches App auf einem Spaziergang zu entdecken und zu erleben. Da findet Malerei über den Kopfhörer in der eigenen Vorstellung statt. Noch ist der Parcours
Spekulation, von Herzen ist er es aber jetzt schon.
Stephan Wittmer, Kurator Parcours